Veranstaltungsankündigung für den Juni 2023

Antisemitismus und Postkolonialismus

Keiner war dabei, und niemand hat’s gesehen. Das war das Motto des Antisemitismusskandals der Documenta 15. Eine Kasseler Initiative hatte zwar schon im Januar 2022, noch vor Eröffnung der Kunstschau, darauf hingewiesen, dass Mitglieder der Kuratorengruppe und der künstlerischen Leitung der Israel-Boykottbewegung BDS nahestehen, die vom Bundestag als antisemitisch eingeschätzt wird. Auch die schon früh geäußerten Bedenken des Zentralrats der Juden wurden von den politisch Verantwortlichen in Kassel und Berlin nicht ernst genommen. Seine Stimme wird in der öffentlichen Debatte immer weniger beachtet. Doch nicht erst die Nähe zur BDS-Bewegung, sondern schon die überdeterminierte Berufung auf den Postkolonialismus hätte stutzig machen können. Das heißt nicht, dass die postkoloniale Theorie per se antisemitisch ist. Auch wenn der Postkolonialismus keine in sich geschlossene Theorie ist, hat er jedoch offene Flanken zum traditionellen und israelbezogenen Antisemitismus. Diese Verbindungen, die nicht nur zufällig, sondern struktureller Art sind, sollen im Rahmen des Vortrags aufgezeigt werden.

Jan Gerber ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er ist Autor, Herausgeber und Mitherausgeber mehrerer Bücher über die Geschichte der politischen Linken und die Gedächtnisgeschichte des Holocaust. Zuletzt sind von ihm erschienen: Die Untiefen des Postkolonialismus, Schwerpunkt, in: Hallische Jahrbücher 1, Berlin 2021 (als Herausgeber); Geschichtsoptimismus und Katastrophenbewusstsein. Europa nach dem Holocaust, Göttingen 2022 (hg. zus. mit Philipp Graf und Anna Pollmann); Das letzte Gefecht. Die Linke im Kalten Krieg, erweiterte Neuauflage, Berlin 2022.

Die Veranstaltung ist außerdem Teil der Reihe „Auseinandersetzungen zur Gegenwart des Antisemitismus“, welche wir in Kooperation u. a. mit dem Referat für politische Bildung, audioscipt.net, dem kosmotique und dem Objekt klein a organisieren.