Kurztexte – Teil III

Bekanntermaßen veröffentlichen wir auf dem Blog meist unsere ausführlichen Artikel, Stellungnahmen oder Redebeiträge. Wer unsere anderen Social-Media-Auftritte bei Facebook und Instagram verfolgt, weiß, dass wir auch immer mal wieder kurze Texte schreiben. Aufgrund des Aufwandes beim Blog haben wir uns jetzt entschieden, diese ab sofort in unregelmäßigen Abständen gebündelt und nicht nachträglich einzeln hochzuladen. Wenn es uns notwendig erscheint, werden wir bei dem ein oder anderen nochmals einige Zeilen zur Einordnung beifügen. Diesmal u. a. mit folgenden Themen: CSD-Kundgebung im Mai, Tag des Grundgesetzes, Neues aus dem Pirnaer Rathaus.

Kurzes Statement zur CSD-Kundgebung – 24. Mai 2024

Am 17.05. fand 18 Uhr auf dem Pirnaer Obermarkt eine kleine Kundgebung anlässlich des Tages gegen Homo- Bi-, Inter- und Transphobie statt. Eingeladen hatte der CSD Pirna. Im Gegensatz zum heute oftmals vorherrschenden identitären Geraune blieb die Veranstaltung mit gut 80 Teilnehmenden bürgerlich und das im positiven Sinne. Nicht zuletzt aufgrund der neuesten Provinzposse durch den jetzigen Oberbürgermeister und seinen ahistorischen und später gelöschten Vergleichen zwischen Regenbogen- und Hakenkreuzfahnen waren die Reden, u. a. vom CSD, dem AKuBiZ oder SOE gegen Rechts konkret auf die Region und die vorherrschenden Lebensumstände bezogen. Deutlich wurde, dass zwar in der sächsischen Provinz kein Gangland herrscht, zugleich es aber immer noch genug Gegenden gibt, die gelinde gesagt, unangenehm für Schwule, Lesben und Trans sind. Dennoch zeigte sich zugleich auch, dass eben gesellschaftliche Wandlungen stattgefunden haben, die überhaupt ein Zusammenkommen in der Konstellation auf dem Markt bis hin zu Stadtratsabgeordneten der CDU ermöglicht haben. Und das trotz des Niveaulimbos des Oberbürgermeisters.

Nicht nur deshalb weisen wir an dieser Stelle gern auf den diesjährigen CSD in Pirna hin. Am 13.07. geht´s 14 Uhr auf dem Pirnaer Markt los.



Deutsche Kontinuitäten 23. Mai: 75. Jahrestag Grundgesetz – 79. Todestag Heinrich Himmlers – 2. Juni 2024

„Ausschwitz ist die Gründungsurkunde, Hitler der Stifter der nun zwangsparlamentarisierten Volksgemeinschaft“[1]

„Jede wirkliche Demokratie beruht darauf, dass nicht nur Gleiches gleich, sondern, mit unvermeidlicher Konsequenz, das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen.“[2]

Am 23. Mai stand mit der 75-Jahr-Feier des Grundgesetzes das Jubiläum des mit Abstand wichtigsten Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte den Startschuss mit seinem Brief an alle Kommunen Deutschlands gegeben, diesen besonderen Tag würdig auszugestalten. Die moralische Besoffenheit, die die Laudatoren in diesen Tagen mit einem klaren Bekenntnis gegen Rechts entfalten werden, wird einmal mehr beschweigen, dass das Grundgesetz letztlich die Shoah im doppelten Sinne als Ausgangspunkt hat.

Zum einen ist die Ausformulierung der deutschen Verfassung nach 1945 nicht freiwillig geschehen. Es handelt sich vielmehr um einen Akt, der gegen die Deutschen und ihren Vernichtungskrieg militärisch bis zu deren bedingungsloser Kapitulation durchgekämpft werden musste. Damit wurde überhaupt erst die Möglichkeit einer Reeducation der Deutschen gelegt.

Zum anderen drückt sich im Grundgesetz jener Widerwille aus, bürgerliche Individuation ernst zu nehmen. So wird bereits in Artikel 1 jene Abstraktion vorgenommen, die sich durch die gesamte Verfassung zieht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“[3] Wohlgemerkt des Menschen und nicht der Menschen als konkrete Individuen. Bereits hier scheint durch, was konstitutiv für das Grundgesetz ist: das weitere Festhalten an einem deutschen Volks- und Staatsbegriff, den man demokratisch gewendet hat, als jene „Synthese“ vom Zusammenkommen von Arbeit und Kapital hinüberzuretten, die die Deutschen von 1933 bis 1945 direkt exekutiert haben. Oder anders ausgedrückt: „Die Deutschen, von denen das Grundgesetz spricht, das deutsche Volk also, das ‚kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt‘ die fdGO beschloß, ist, wie die Präambel sagt, von vorneherein das Volk der Nürnberger Gesetze und der Wannsee-Konferenz, ein Volk, das noch nicht einmal Apriori seiner postnazistischen Konstitution den geringsten Anflug von Klage, Trauer, gar Schuld äußert.“[4] Nicht umsonst strahlt das Grundgesetz den Geist Carl Schmitts aus, was sich an Wortschöpfungen wie „wehrhafte Demokratie“ nachweisen lässt, in denen bereits das Moment des Zu- und Umschlagens immer schon angelegt ist.[5] Das verwundert auch nicht, wenn bedacht wird, dass fast ausschließlich Juristen am Grundgesetz gearbeitet haben, von denen sich bspw. nur eine Minderheit für den Asylparagrafen ausgesprochen hatte. Dieses Verständnis von Demokratie, das strikt getrennt ist vom Liberalismus, west bis heute fort. Genau jene Trennung benennt auch die Initiative Sozialistisches Forum anhand des Artikels 20: „Wenn der Art. 20 GG bestimmt: ‚Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus‘, so ist keinesfalls eine Gesellschaft der Individuen gemeint, sondern die Zusammenrottung so kapitalproduktiver wie staatsloyaler Subjekte zur bewaffneten Horde, zum Volk der nichts als Deutschen.“[6]

Sekundiert wird das zusätzlich durch die hierzulande weit verbreiteten antiamerikanischen Ressentiments. Gerade bei Freunden des Grundgesetzes drückt sich darin das Unbehagen über die Unterschiede zur US-amerikanischen Verfassung und ihrem Anspruch auf die pursuit of happiness des Individuums und nicht eines wie immer definierten Zwangskollektivs aus.[7] Das darin enthaltene bürgerliche Glücksversprechen muss Leuten, die wie ihre Gegenparts nur in Volkskategorien denken können, von vornherein suspekt erscheinen. Die Ironie daran ist, dass dies den demokratisch Gesinnten beim in Stellung bringen des Grundgesetzes gegen AfD und Co. gar nicht auffällt, während zweitere nicht begriffen haben, wie sehr ihnen der Inhalt des Grundgesetzes eigentlich entgegenkommt.[8] So wird auch dieses Jubiläum unter den Vorzeichen stattfinden, dass Deutschland einen weiteren zwanghaften Versuch der Normalisierung unternimmt, bei dem allzu deutlich Auschwitz durchscheint, was es vergessen zu machen gilt.

[1] Initiative Sozialistisches Forum: Der Staat des Grundgesetzes, in: Dies. (Hrsg.): Das Konzept Materialismus. Pamphlete und Konzepte, Freiburg i. B. 2009, S. 40-48, hier S. 41. Erschienen ist dieser Text im Zusammenhang mit dem 60. Jubiläum des Grundgesetzes.

[2] Schmitt, Carl: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (10. Aufl.), Berlin 2017, S. 13-14.

[3] Hervorhebung PAL.

[4] Initiative Sozialistisches Forum (a.a.O.), S. 41.

[5] Schon Karl Marx hat am Beispiel der zweiten Französischen Republik den Versuch, die (bourgeoise) Verfassung vor ihrem Umschlagen zu retten, der Lächerlichkeit preisgegeben. Vgl. Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in MEW Bd. 8, S. 128f.

[6] Initiative Sozialistisches Forum (a.a.O.), S. 45 f.

[7] Zu den Unterschieden, auch in Bezug auf die französische Verfassung hat Gerhard Scheit bereits alles benannt, vgl. Scheit, Gerhard: Der Wahn vom Weltsouverän. Zur Kritik des Völkerrechts, Freiburg i. B. 2009, S. 180-194.

[8] Dafür sollen hier zwei Beispiele zur zusätzlicher Untermauerung ausreichen. Zum einen bietet sich ein Blick nach Ungarn an. Sowohl die Verfassung von 1989/90 als auch deren Transformation durch Orbán 2011 haben sich am Grundgesetz orientiert, vgl. Küpper, Herbert: Exportschlager GG in Ungarn? Liberal – illiberal – ganz egal?, in: Legal Tribune Online, 21.05.2024, online: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/grundgesetz-75-jahre-exportschlager-ungarn-verfassung-liberal-illiberal-orban-verfassungsgericht/. Zum anderen kommt der AfD auch im Zuge der anlaufenden Verbotsdebatte sehr entgegen, dass der Gesetzgeber eben auch einen völkischen Staatsbürgerbegriff kennt. Erinnert sei hier an sogenannte Aussiedler und Spätaussiedler.



Kommentar zum Wahlergebnis – Hasardeure an die Macht

Der erste Wahlmarathon 2024 ist durch. Sowohl bei den Europa- als auch Kommunalwahlen hat die AfD durchgängig gut abgeschnitten, allein weil sie ihre Ergebnisse nicht nur steigern konnte, sondern im Osten auch Wahlsiegerin wurde. Im Europaparlament ist sie deshalb aber in guten Händen, wo man – unabhängig von welcher Fraktion die Rede ist – neben sozialer Kälte nur den Grad der Entwestlichung bestimmen konnte (entweder die Antisemiten oder die Putinversteher in unterschiedlichen Abstufungen). In Europa hat man zumindest den Vorteil, dass die eher fragliche demokratische Konstitution der EU dem Parlament in Brüssel nicht allzu viel Spielraum gibt.

Kommunal hat sich somit auch bei der Kreistagswahl im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und bei der Stadtratswahl das durchgesetzt, wofür die Region wieder verstärkt steht: Politische Hasardeure, die im Kreistag durchgängig mit Abwesenheit glänzen, Personen im Pirnaer Stadtrat mit schlechten Brusttatoos, die man bei öffentlichen Sitzungen zeigt (Pirna TV: ab Min 0:18: https://youtube.com/watch?v=SASKH4s1zfE), und einem Pirnaer Oberbürgermeister, dessen Bilanz nach 100 Tagen im Amt u. a. die sagenumwobene Leistung beinhaltet, zwei neue Mülleimer aufgestellt und neueste historische Erkenntnisse aus Vergleichen zwischen Regenbogen- und Hakenkreuzfahnen erbracht zu haben. Man fragt sich unweigerlich, ob einem solche Ideen und Leistungsgedanken beim Genuss des Pirnaer Magenbitters Haftmann kommen. Eventuell bekommt er, um die nächsten spektakulären Ergebnisse innerhalb der nächsten 100 Tage zur Planübererfüllung liefern zu können, Aufbauhilfe aus Fernost. Dann reicht es vielleicht für drei Mülleimer. Dazu passt auch der neue Stadtsprecher aus den Reihen der Rosa Luxemburg Laiendarstellern, der mit so bürgerlicher Verve aufgetreten ist, dass er seinen Amtsvorgänger dafür kritisiert hat, die Stadt Pirna zu vertreten, wie er der Sächsischen Zeitung mitteilte (https://saechsische.de/…/zwischen-bsw-und-afd-wer-ist…). Somit kommt hier eins zum anderen und der Einzug von BSW komplettiert das Bild.

Um es nochmals deutlich zu unterstreichen: hierbei handelt es sich um jenes Klientel, was wir als die Jammerossis beschrieben haben, die sie sind. Sie bekommen wenig bis nichts auf die Reihe, gepaart mit aggressiver Weinerlichkeit, die um so lauter nach allen möglichen Schuldigen schreien, wenn es ums eigene Versagen geht. Entscheidend ist, dass sie damit nur durchkommen, wenn man sie lässt, was uns zu den möglichen Steigbügelhaltern im neuen Pirnaer Stadtrat bringt. Und auch wenn wir gewiss keine Fans der sächsischen CDU sind, muss gesagt werden, dass sie lokal explizit diese Rolle (zurzeit) nicht ausfüllen, sondern andere, u. a. aus jenen Kreisen, die auch gern mal Kubitschek in die sächsische Mittelstadt einladen. Man darf gespannt sein, welche ideologischen Verrenkungen in naher Zukunft auf einen warten werden, wenn auch die nächste Schweinerei verteidigt werden muss. Wir freuen uns jedenfalls auf die nächsten Behältnisse zur Müllvermeidung.